Leben ist nicht schwer

Originaltitel: Alors Voilà!

Autor: Baptiste Beaulieu
Übersetzer: Marlene Frucht

Klappentext:

„Der junger Arzt Baptiste Beaulieu erzählt mit viel Witz und Charme von den alltäglichen Wundern und Missgeschicken, die ihm im Krankenhaus begegnen. Seine wahren Geschichten über liebenswerte Hypochonder, cholerische Chirurgen und tapfere Kollegen dienen vor allem einem Ziel: seiner schwerkranken Lieblingspatientin auf Zimmer 7 ein Lächeln auf die blassen Wangen zu zaubern. Beaulieu zeigt, dass Geschichten uns am Leben halten und auch in den schwersten Zeiten Leichtigkeit schenken. Ein Buch über die existentiellen Momente des Menschseins – einfühlsam und klug.

»Umwerfend komisch, tief bewegend« Pozzo di Borgo, Autor von ›Ziemlich beste Freunde‹ …“

Presseinformation des Verlags:

„…“

Eine Leseprobe:

TAG 1

All along the watchtower,
Bob Dylan

7 UHR, AUF EINEM FLUR DER NOTAUFNAHME.

„Ich hasse es, wenn mein Tag mit einem Selbstmordversuch beginnt.
Frau Dido hat aus einer Schachtel 14, aus einer weiteren 9 und aus einer dritten Schachtel 8 Tabletten geschluckt.
Zwei Tage später ist sie wieder aufgewacht und hatte einen Riesenkater. Ihre Schwester hat sie geohrfeigt und den Notarzt gerufen.
Die ersten Testergebnisse bestätigen: Sie wird weiterleben. Mit stark geschädigter Leber und gegen ihren Willen, aber sie wird weiterleben.
Sie ist in ihrer Box, weint und starrt die weiße Wand an. Was sie dort sieht, ist mir schleierhaft, aber ihr Blick hängt daran wie ein nagelneuer Klettverschluss.
Ich betrete den Raum:
»Ich hab’s vermasselt«, sagt sie zur Begrüßung.
Ich erkläre ihr, dass das Gegenteil der Fall ist, denn sie ist am Leben.
»Sie verstehen das nicht.«
»Das stimmt, ich verstehe es nicht, aber ich kann Ihnen eine Geschichte erzählen.«
Da ich von der gestrigen Party noch etwas mitgenommen bin, ziehe ich mir einen Stuhl heran und stütze mich auf die Patientenliege, als wäre es der Tresen einer Kneipe mit dem Namen: Café Maxence, Café zur letzten Chance.
Und dann erzähle ich ihr die eine Geschichte, die große, die schöne Geschichte, die ich jedes Mal hervorkrame, wenn mein Weg als Arzt den Weg eines Selbstmordkandidaten kreuzt.

»Vor einiger Zeit habe ich ein Praktikum bei einem Allgemeinarzt gemacht. Doktor Krake. Ein schrecklicher Mensch, Sie würden ihn verabscheuungswürdig finden. Da kommt Herr Lazarus zu uns in die Sprechstunde, er sitzt im Rollstuhl. Sein Gefährt ist zu breit für die Eingangstür, also nimmt er den Hintereingang. Eine Routineuntersuchung, wir ziehen ihn aus. Sein linker Arm ist mit dem Oberkörper verwachsen. Er kann die Beine nicht mehr ausstrecken, durch das Narbengewebe an den Oberschenkeln werden sie in einer angewinkelten Position gehalten, die fürchterlich aussieht. Sein Körper ist ein von Narben entstelltes Schlachtfeld. Er sieht völlig verbogen aus, übersät mit vernarbten Brandwunden dritten Grades. Ich muss an das Bild einer geschmolzenen Kerze denken. Kein Teil ist vom Feuer verschont geblieben, am wenigsten der Docht: Sein Gesicht scheint zu zerfließen, die rechte Wange sieht aus wie hinuntertropfendes Wachs. Aber sein verstümmelter Mund lächelt dennoch die ganze Zeit über. Er erzählt von seinen Plänen, von seinen jüngsten Reisen, von seiner neuen Freundin, die schwanger ist. Sie bekommen ihr erstes Kind. Er freut sich wie verrückt darauf, Eimer mit blauer oder rosa Farbe zu kaufen. Rosa wäre ihm lieber, aber ein kleiner Junge wäre auch ein wundervolles Geschenk.
Ich schaue mir diesen vom Feuer gezeichneten Mann an. Ich sehe ihm zu, wie er sein Leben lebt, voller Begeisterung und Freude. Ich verstehe es nicht. Ich muss irgendetwas übersehen haben. Dann geht der Patient wieder. Der gute Doktor Krake dreht sich zu mir um:
›Jetzt rate mal, wie er sich das zugezogen hat!‹
Das: Eine starke Untertreibung, um die Verwandlung eines gesunden Körpers in einen Lavastrom zu beschreiben.
›Das war vor vier Jahren. Er hat Benzin in den Innenraum seines Autos geschüttet und ist gegen eine Mauer gefahren. Er wollte sterben.‹« …“

Pressestimmen:

  • www.media-spider.com, 06/2015: „…“
  • Bild.de, 06.05.2015: „Tragisch und lustig zugleich!“
  • Stadtanzeiger Bad Dürkheim, 23.4.2015: „Ein Buch über die existenziellen Momente des Menschseins – einfühlsam und klug.“

Eigene Meinung / Beurteilung des Buches:

Der Autor Baptiste Beaulieu, ein 27-jähriger Assistenzarzt mit Löwenkopf und rotem Karohemd (S. 14, 15, 302), Raucher (S. 75), der ein „zügellosen Leben“ führt (S. 49), als echter Kosmopolit Französisch spricht, auf Spanisch flucht, in Hindi betete, auf Italienisch oder auf Jidisch, je nachdem, ob es ein gerader oder ungerader Tag ist, Liebe macht (S. 222) – gibt in seinem Buch »Leben ist nicht schwer« sein Mediziner-Latein zum Besten. Das Buch ist in Form eines Tagebuches geschrieben, in sieben Tage aufgeteilt und enthält kurze, humorvolle und teilweise pikante Erzählungen, die das Geschehen und die Erlebnisse in der Notaufnahme eines Krankenhauses festhalten. Die Zimmer der Notaufnahme eines kommunalen Krankenhauses in Auch in Südfrankreich werden als „Boxen“ bzw. „Untersuchungsboxen“ (S. 81, 72) bezeichnet, in denen die Patienten kommen und gehen wie in einem Taubenschlag (S. 128). Der Leser erfährt weshalb Ärzte die höchste Selbstmordrate haben (S. 252).

Fazit:

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Buchcover:

Leben ist nicht schwer - von Baptiste Beaulieu ist erschienen in der S. FISCHER Verlag GmbH

Leben ist nicht schwer - von Baptiste Beaulieu ist erschienen in der S. FISCHER Verlag GmbH

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Verlag: S. Fischer Verlag; 1. Auflage (23. April 2015).
Seitenanzahl: 352 Seiten.
Bindung: Taschenbuch Ausgabe.
ISBN-10: 3-596-03114-1.
ISBN-13: 9-783596-03114-6.
Preis: EUR 12,99.

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