Ein Interview mit Götz W. Werner, Marc Friedrich und Matthias Weik über ihr erstes gemeinsames Buch »Sonst knallt’s. Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen«

Ein Interview mit Götz W. Werner, Marc Friedrich und Matthias Weik über ihr erstes gemeinsames Buch »Sonst knallt’s. Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen«

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit? Wie und wann haben Sie einander kennen und schätzen gelernt?

Matthias Weik: Im April 2013 bei einer gemeinsamen Podiumsdiskussion. Der Titel der Diskussion lautete damals: „Was kommt nach dem ,größten Raubzug der Geschichte‘? – Gibt es Chancen für das Bedingungslose Grundeinkommen“?
Marc Friedrich: Ich war schon lange treuer Kunde von dm und fasziniert von der Unternehmensphilosophie. Auch war mir Götz Werner schon lange ein Begriff für seinen unermüdlichen Einsatz, die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) bekannt zu machen. Dementsprechend begeistert war ich von der Idee, gemeinsam ein Buch zu schreiben.
Götz W. Werner: Schon das Buch »Der größte Raubzug der Geschichte« von Herrn Weik und Herrn Friedrich hat mich sehr beeindruckt, zuletzt dann ihre aktuellen und historischen Analysen in »Kapitalfehler«. Es gibt viele Schnittmengen, da lag eine Zusammenarbeit einfach in der Luft.

Welches gemeinsame Ziel verbindet Sie?

Götz W. Werner: Die Erkenntnis, dass wir nicht einfach so weitermachen können wie bisher. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Matthias Weik: Wir möchten die Welt zum Positiven verändern. Diese Veränderung ist bitter nötig, denn sonst knallt’s.
Marc Friedrich: Wir alle spüren doch intuitiv, dass seit Jahren etwas nicht stimmt und die Welt aus den Fugen geraten ist. Es haben sich kapitale Fehler eingeschlichen, die wir nun konstruktiv angehen müssen. Bevor die Kollateralschäden der Finanz-Tsunamis der letzten Jahre noch schlimmer werden.

Was stand am Anfang Ihres Gemeinschaftswerks? Welche konkreten Beobachtungen waren Auslöser für Ihr Buch?

Matthias Weik: Die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Viele Parteien vertreten nicht mehr die Interessen der Bürger, sondern die von Konzernen und Finanzlobbys. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, ein überparteiliches „Programm“ zu schreiben. Ein Programm für die Menschen.
Marc Friedrich: Obwohl Deutschland seit Jahren wirtschaftlich auf der Überholspur fährt, kommt dieser Wohlstand bei den meisten Menschen nicht an. Hier läuft etwas gewaltig schief. Parallel erleben wir immer schlimmere Krisen und eine Finanzmarktblase nach der anderen. Der Euro und die EU wanken bedenklich. Nachhaltige Lösungsvorschläge aus Wirtschaft und Politik? Fehlanzeige! Unsere Schlussfolgerung: Das muss „von unten“ kommen, aus der Gesellschaft.
Götz W. Werner: Ich trete ja seit längerem für die Ideen eines BGE und einer ausschließlichen Besteuerung des Konsums ein. Und ich versuche den Menschen zu erklären, dass unsere Wirtschaft viel zu sehr von der Illusion getrieben ist, Geld sei ein Wert an sich. Weil wir ständig aufs Geld starren, sehen wir meist nur „Finanzierungsprobleme“. Dabei sollte die eigentliche Frage doch lauten: Wie machen wir es möglich, dass jeder seine ureigenen Fähigkeiten und Ideen in eine Wirtschaft einbringen kann, die so leistungsfähig ist, wie keine zuvor – und die doch unsinniger Weise allzu viele Menschen zurücklässt.

Was alarmiert Sie momentan am meisten?

Matthias Weik: Dass sich die Bürger von der Politik nicht mehr abgeholt und vertreten fühlen.
Marc Friedrich: Ja, nicht nur unser Wohlstand steht auf dem Spiel, sondern auch die Demokratie. Das bereitet mir große Bauchschmerzen. Die Parteien versagen am laufenden Band, und zeitgleich betreibt die EZB ein einmaliges Notenbankexperiment, um das Geldkarussell am Laufen zu halten – was jedoch zum Scheitern verurteilt ist.
Götz W. Werner: Mich stört, dass viele politische und wirtschaftliche Scheindebatten sehr laut geführt werden – und Diskussionen über die Grundlagen einer wirklich sozialen Marktwirtschaft viel zu wenig.

„Radikal neu denken“, fordern Sie im Untertitel. Welche Bereiche betrifft das konkret?

Matthias Weik: Die Finanzwelt, das Thema Steuern und unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt, welche durch die „Industrie 4.0“ komplett auf den Kopf gestellt und für viele Menschen zu heute noch kaum vorstellbaren Veränderungen führen wird.
Marc Friedrich: Wir müssen komplett neu denken! Wir brauchen wieder Politiker anstelle von Berufspolitikern und Parteien, die nicht in Schubladen denken und ihren jeweiligen Ideologien verhaftet sind. Sondern die im Sinne der Menschen und des Landes agieren. Wir müssen die Wirtschaft wieder menschlicher gestalten und mit Sinn füllen, ansonsten fahren wir komplett gegen die Wand. Noch ist Zeit das Ruder herumzureißen.
Götz W. Werner: Ich versuche in meinen Vorträgen immer deutlich zu machen, dass vieles in unserer Wirtschaft darum falsch läuft, weil wir es falsch denken. Nämlich betriebswirtschaftlich verengt statt volks- und gemeinwirtschaftlich. Nur Unternehmen haben Kosten. Volkswirtschaftlich betrachtet lösen sich alle Kosten bis auf den letzten Cent in Einkommen auf. Weshalb Gesellschaften vor allem darüber entscheiden müssen, wie sie ihre Einkommensströme regulieren wollen.

Ein wichtiges Schlagwort in Ihrem Buch sind die Steuern. Wie würden Sie folgenden Satzanfang weiterformulieren: „Die Steuern sprudeln, aber … „

Götz W. Werner: … wir leisten uns trotzdem noch immer Armut. Das ist ein Skandal!
Matthias Weik: … viele internationale Großkonzerne und Superreiche bezahlen kaum Steuern. Was läuft da falsch?
Marc Friedrich: … trotzdem zahlt Deutschland keinen Cent Schulden zurück. Da frage ich mich als Ökonom: Wenn nicht in Rekordjahren – wann dann? Wer, wenn nicht wir als „Exportweltmeister“? Und wie können wir obendrein erwarten, dass krisengeplagte Länder wie Griechenland, Italien oder Spanien jemals ihre Schulden zurückzahlen werden?

Was ist nötig, um unser Wirtschaftssystem und unsere soziale Grundordnung zukunftsfähig zu machen?

Matthias Weik: Eine strikte Regulierung des Finanzsystems, eine Insolvenzordnung für Banken und für Staaten, ein faires Steuersystem – und die Abschaffung des Euro.
Marc Friedrich: Alle Steuern abschaffen bis auf eine – die Konsumsteuer. Parallel: Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Götz W. Werner: In Deutschland und Europa gäbe es längst „Wohlstand für alle“, wenn es ein Einkommen für alle gäbe. Wenn die Mehrheit der Menschen das denken kann, können wir ein BGE notfalls über Nacht einführen.

Ein großes Thema in Ihrem Buch ist das „bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE). Wie definiert sich das genau? Was umfasst es und was soll es bewirken?

Götz W. Werner: Jeder Mensch hat das Recht bescheiden aber menschenwürdig zu leben. Dafür braucht er ein Einkommen. Dass Arbeit und Einkommen verkoppelt sind, funktioniert nicht mehr. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Auftrag der Gemeinschaft an den Einzelnen, sich mit seinen Talenten und Fähigkeiten einzubringen.

Das bedingungslose Grundeinkommen sehen manche als Utopie, andere als Gebot der Stunde. Wie lautet Ihr Hauptargument?

Götz W. Werner: Die Utopien von gestern sind die Realitäten von heute. Auf uns kommen enorme Umwälzungen zu. Stetige Erwerbsbiographien gibt es nicht mehr, der Wandel in der Arbeitswelt ist in allen Branchen zu beobachten. Wir produzieren heute so viele Güter und Dienstleistungen wie nie zuvor. Wir brauchen Rahmenbedingungen, so dass jeder eine Teilhabe an unserem enormen Wohlstand als Menschenrecht erhält.
Matthias Weik: Im Zuge der Industrie 4.0 werden so viele Jobs wegfallen, dass es ohne Grundeinkommen gar keine andere Lösung gibt.
Marc Friedrich: Die Manager dieses Wandels haben das großteils schon verstanden. Herr Käser von Siemens, Elon Musk von Tesla, Telekom-Vorstand Timotheus Höttges und viele andere sprechen sich für ein BGE aus.

Die Bundestagswahlen rücken immer näher. Mal angenommen, Sie wären Kandidat für das Kanzleramt. Was würde auf Ihrer Agenda ganz oben stehen?

Götz W. Werner: Dass wir unsere Verfassung wirklich ernst nehmen, besonders Artikel 1, der besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.
Matthias Weik: Ein gerechtes Steuersystem zu implementieren, das heißt unser Konsum wird besteuert und nicht unsere Einkommen. Und den Euro abzuwickeln, da dieser Europa trennt anstatt es zu einen.
Marc Friedrich: Ehrlichkeit und Tacheles. Auch wenn sie bitter ist: den Menschen einfach mal die Wahrheit zutrauen.

Dauerkrise in der globalen Wirtschaft: Welche Milchmädchenrechnung regt Sie am meisten auf? Wo sehen Sie den akutesten Korrekturbedarf?

Marc Friedrich: Dass der Euro uns nutzt, ist eine glatte Lüge. Der Euro muss geordnet aufgelöst werden, bevor er uns unkontrolliert um die Ohren fliegt. Genauso dramatisch sind die Verzerrungen, die dadurch entstehen, dass eigentlich bankrotte Staaten wie Italien und Spanien sich trotz Rekordstaatsschulden und Rekordarbeitslosigkeit so günstig wie noch nie an den Kapitalmärkten mit neuen Schulden versorgen können. Das ist Wahnsinn und die größte Insolvenzverschleppung in der Geschichte der Menschheit.
Matthias Weik: Die Arbeitslosenstatistiken, wo von vorne bis hinten getrickst wird, um uns Sicherheit vorzugaukeln. Und dass die EZB jeden Monat Milliarden ins System pumpt, um das völlig aufgeblähte Finanz- und Schuldensystem weiter am Laufen zu halten.
Götz W. Werner: Auch, wenn das vielleicht kein akutes Problem ist: Dass mir habilitierte Ökonomen immer noch vorzurechnen versuchen, ein BGE sei unfinanzierbar, indem sie einen beliebigen Betrag mit der Zahl der Einwohner in Deutschland multiplizieren.

Was war für Sie selbst die spannendste Lektion beziehungsweise der größte Erkenntnisgewinn bei der Arbeit an „Sonst knallt’s?“

Matthias Weik: Dass wir in Zukunft um ein BGE nicht herumkommen. Vor ein paar Jahren habe ich das noch, wie viele Menschen, als Spinnerei abgetan. Ich kann also jedem Leser aus eigener Erfahrung bestätigen, was Götz Werner immer sagt: Das ist ein Denkproblem.
Marc Friedrich: Die Steuerrevolution! Dass wir in Zukunft den Verbrauch, also unseren Konsum besteuern müssen und nicht das Einkommen. Das ist die einzig gerechte Art der Besteuerung. Da war ich zuerst skeptisch. Aber heute stehe ich hundertprozentig hinter der Idee.
Götz W. Werner: Meine jungen Mitautoren blicken aus einer anderen Perspektive auf unser Zusammenleben. Trotzdem kommen wir zur gleichen Schlussfolgerung: Nämlich dass es so nicht weitergehen kann, sonst knallt’s.

Götz W. Werner ist Gründer der dm-Drogeriemarkt-Kette. Sein Führungsstil ist geprägt von seiner Nähe zur Anthroposophie. Als Unternehmer setzt er auf Kooperation, selbstständiges Arbeiten und auf die Entwicklung seiner Angestellten.

Marc Friedrich ist Mitgründer der Honorarberatung Friedrich & Weik Vermögenssicherung. Seit vielen Jahren hält er gemeinsam mit Matthias Weik Vorträge im In- und Ausland rund um das Thema Wirtschaft und Finanzen.

Matthias Weik ist Mitinitiator von Deutschlands erstem offenen Sachwertfonds. Gemeinsam mit Marc Friedrich hat er die Bestseller „Der größte Raubzug der Geschichte“, „Der Crash ist die Lösung“ und „Kapitalfehler“ geschrieben.
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1) Pressemitteilung:
Bastei Lübbe AG – Presse und Öffentlichkeitsarbeit, https://www.luebbe.de/eichborn, 18.04.2017

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