Ein rechtes Netzwerk kämpft gegen Pluralismus, Freiheit und Toleranz

Ein rechtes Netzwerk kämpft gegen
Pluralismus, Freiheit und Toleranz

»Rechte Christen sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Sie gewinnen zunehmend an Einfluss in den politischen Parteien, in Zeitschriftenredaktionen und in den Volks- und Freikirchen. Ihre großen Themen sind der Kampf gegen eine angebliche „Islamisierung“, Kampagnen gegen die „Ehe für alle“ und die „Frühsexualisierung“ an den Schulen, Abtreibung und den sogenannten „Genderwahn“. Liane Bednarz beobachtet die Szene seit Jahren – sie warnt vor den gesellschaftlichen Konsequenzen und fordert eine mutige Auseinandersetzung mit diesen Angstpredigern.

Liane Bednarz ist promovierte Juristin und Publizistin mit dem Schwerpunkt Populismus und religiöse Bewegungen. Sie ist Kolumnistin bei „Tagesspiegel Causa“. Weitere Artikel erschienen u. a. in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, der „Huffington Post“, auf „Spiegel online“ sowie den Autorenblogs „Starke Meinungen“ und „Carta“. Liane Bednarz lebt in Hamburg und ist eine gefragte Gesprächspartnerin der Medien und der Kirchen. Ihre Diskussion mit einer AfD-Politikerin war neben dem Auftritt von Barack Obama eines der großen Medienereignisse auf dem Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin.

Thesen

  1. In konservativen christlichen Kreisen ist es vor allem seit dem Jahr 2013 zu einer Art Spaltung in einen moderaten Flügel einerseits sowie einen immer stärker gen rechts driftenden Teil andererseits gekommen. Diese Entwicklung wurde durch das Aufkommen der AfD und der Pegida-Bewegung beschleunigt, hat aber tiefere Ursachen. So ist etwa die Angst vor einer „Islamisierung“ schon 2010 Thema in einem Teil des politisch konservativen Milieus Thema gewesen. Viele der heute mit rechtem Gedankengut auffallenden Christen fühlen sich politisch in der CDU Angela Merkels nicht mehr repräsentiert, auch wenn längst nicht alle deshalb zu AfD-Wählern oder -Sympathisanten geworden sind. Parteipolitisch findet man Menschen mit dieser Ausrichtung daher auch am rechten Rand der Unionsparteien. Viele der in den „Angstpredigern“ thematisierten Christen vertreten diverse Positionen, die nicht mehr „bloß konservativ“ sind. Die Ausprägung ist dabei allerdings unterschiedlich. Viele ziehen eine klare Grenze zu völkischrechtsradikalem Denken, wie es etwa von Björn Höcke vertreten wird. Das ändert aber nichts daran, dass nicht wenige von ihnen dennoch typisch neurechte Topoi wie die Unterscheidung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ längst in ihren Wortschatz übernommen haben. Manche allerdings sympathisieren auch ganz offen mit der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“.
  2. Rechte Christen sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Sie pflegen teilweise typisch rechtspopulistische Feindbilder und glauben, das christliche Abendland schützen zu müssen. So kämpfen sie gegen eine angebliche „Islamisierung“, gegen die „Ehe für alle“, den von ihnen so bezeichneten „Genderwahn“ und stehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den sie meistens als „GEZ-Medien“ bezeichnen, äußerst kritisch gegenüber.
  3. Der prozentuale Anteil derjenigen kirchennahen Christen, die gen rechts gedriftet sind, ist zwar nicht besonders hoch, jedoch sind sie in den sozialen Medien und den Kommentarspalten des Internets sowie auf eigenen Blogs sehr aktiv. Außerdem verfügen sie über einige prominente Aushängeschilder und über viele Netzwerke, mittels derer sie versuchen, Einfluss auf die Politik und die Kirchen zu nehmen.
  4. Die Anfälligkeit vieler konservativer Christen für rechtes Gedankengut ist kein Zufall, sondern hat in Deutschland eine lange Historie. Das liegt vor allem daran, dass die deutsche „Neue Rechte“ im Unterschied zur französischen „Nouvelle Droite“ in großen Teilen christlich ausgerichtet ist. Das gilt sowohl für ihren moderaten Teil, namentlich die „Junge Freiheit“, als auch für ihren radikalen Part rund um den Verleger Götz Kubitschek. Wie seine Frau, die Publizistin Ellen Kositza, betont er in den letzten Jahren seinen katholischen Glauben immer wieder. Die „Junge Freiheit“ weist sogar in ihrem Leitbild auf ihren „festen, christlichen Standpunkt“ hin. Auch sind viele bekannte christliche Publizisten wie Matthias Matussek Autoren der „Jungen Freiheit“. So nimmt es kein Wunder, dass es im christlich-konservativen Bereich seit Jahren Überlappungen zwischen konservativem und rechtem Denken gibt.
  5. Rechtes Gedankengut ist nicht mit frommen Haltungen zu verwechseln, die der Lehre der jeweiligen Kirchen folgen. Zum Beispiel ist es genuin christlich, gegen Abtreibung zu sein. In den „Angstpredigern“ geht es deshalb nicht um eine Kritik an einem strengen Glaubensverständnis, sondern darum, aufzuzeigen, inwieweit fromme Christen politisch rechte Ideen annehmen und zu erklären, warum sie dafür so offen sind. Die Autorin versteht sich selbst als fromm und konservativ und geht die Thematik aus einer solchen Haltung heraus an. So entspricht es etwa der Lehre der Katholischen Kirche, gegen die „Ehe für alle“ zu sein. Wer so denkt ist, das zeigt nicht zuletzt Bundeskanzlerin Merkel, ist allein deshalb nicht politisch rechts. Die Autorin ist allerdings für die „Ehe für alle“ und weist darauf auch in ihrem Buch hin. Problematisch wird die Ablehnung der „Ehe für alle“ in strengen christlichen Kreisen allerdings dann, wenn daraus eine Art Kulturkampf gemacht wird und von der Politik erwartet wird, dass diese das eigene Weltbild umsetzt (siehe dazu auch These 9). Auch stößt man bei manchen christlichen Kritikern der „Ehe für alle“ auf despektierliche Äußerungen über Homosexuelle.
  6. Eines der Hauptfeindbilder der rechten Christen ist der „Genderwahn“. Bei diesem Thema wird viel Desinformation betrieben und so getan, als solle die Unterscheidung zwischen Mann und Frau generell ad acta gelegt werden. Dies liegt daran, dass oftmals keine klare Unterscheidung zwischen „Gendermainstreaming“, das die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gerade nicht leugnet, einerseits, und „Gender Diversity“ andererseits getroffen wird. Diverse rechte Christen verbreiten sogar die Verschwörungstheorie, wonach die ganze Gesellschaft „homosexualisiert“ werden soll. Das erinnert an die ebenso abwegige Angstmacherei vor einer „Islamisierung“ (siehe unten These 7.). Ebenso wenig wird zwischen radikalen und moderaten „Gender-Forschern“ unterschieden. Das führt dazu, dass die „Gender Studies“ an den Universitäten in Gänze feindlich angesehen werden und ihnen die Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird. Damit einher geht die Forderung, ihnen die öffentlichen Gelder zu entziehen. In diesem Punkt zeigt sich eine illiberale Haltung, die das, was ihr nicht passt, am liebsten abschaffen will. Zu einer pluralistischen Gesellschaft passt das nicht.
  7. Der Kampf gegen die angebliche „Islamisierung“ hat namentlich durch die Flüchtlingskrise an Bedeutung gewonnen. Vor allem gegenüber muslimischen Flüchtlingen gibt es große Vorbehalte. Auch der Islam als solcher wird oft pauschal kritisiert. Hier bestehen inhaltlich große Schnittmengen zum AfD-Milieu, auch wenn nicht alle christlichen Islam-Kritiker AfD-Sympathisanten sind. Sehr früh haben viele überdies die Pegida-Bewegung in Schutz genommen. Auch der Autor Akif Pirinçci erfreute sich – teilweise immer noch – vielfach ausgeprägter Sympathien, obwohl dessen vulgäre Invektiven in seinem Buch „Deutschland von Sinnen“ mit einem christlichen Menschenbild wenig kompatibel sind.
  8. Besonders ausgeprägt ist auch die Kritik der etablierten Medien, die wie oben erwähnt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besonders hart trifft. Hier stößt man auch auf die typische rechtspopulistische Rhetorik mit ihren Diktaturanklängen, etwa, wenn von einer „inneren Selbstgleichschaltung“ vieler Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Rede ist.
  9. Einer der Hauptgründe für die geistige Allianz mancher frommer Christen mit rechten Bewegungen liegt in einer politreligiösen Grundhaltung. Man hat bisweilen den Eindruck, dass der Wahrheitsanspruch des Christentums auf die Politik übertragen wird. Insofern kann die AfD mit einem Slogan wie „Mut zur Wahrheit“ in diesem Milieu gut punkten. Generell ist die Behauptung eines „moralischen Alleinvertretungsanspruchs“ kennzeichnend für Rechtspopulisten, wie der Politologe Jan-Werner Müller in seinem Essay „Was ist Populismus“ (Suhrkamp, 2010) erläutert hat. Damit einher geht eine illiberale Haltung anderen Ansichten gegenüber. Viele rechte Christen hegen große Sympathien für illiberale bzw. rechtspopulistische Regierungen und Politiker, die in ihren Augen christliche Werte durchsetzen, wie etwa Wladimir Putin, Donald Trump, Viktor Orbán oder die polnische Pis-Regierung. Die Einschränkung von Freiheitsrechten wird dabei in Kauf genommen, wenn nicht sogar teilweise gutgeheißen. Fast immer kritisieren dieselben Leute jedoch zugleich muslimischen Autoritarismus wie etwa den von Recep Erdoğan. Dieses Messen mit zweierlei Mass ist typisch für das rechtschristliche Milieu und erklärt sich aus seinem Denken in Feindbildern.
  10. Kirchenvertreter, die sich explizit gegen das Weltbild der rechten Christen richten, müssen mit Wut, Zorn und Lästereien rechnen. So ist etwa der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, wegen seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik längst zu einem Feindbild geworden. Noch viel stärker ist dies bei Papst Franziskus der Fall. Er wird auch wegen seiner Haltung zur Barmherzigkeit schon lange mit Häme („Plapperpapst“) überschüttet, mittlerweile so sehr, dass manche konservative katholische Publizisten deutliche Worte dazu finden und sich ausdrücklich hinter den Pontifex stellen.

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Dr. Liane Bednarz

»Die Angstprediger«
Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirche unterwandern

  • Droemer HC, 272 Seiten
  • [D] € 16,99/ [A] € 17,50
  • ISBN 978-3-426-27762-1
  • Auch als eBook erhältlich: ISBN 978-3-426-45132-8
  • Erscheinungstermin: 3. April 2018

1) Presse-Information: Verlagsgruppe Droemer Knaur, Presseabteilung, www.droemer-knaur.de, 03.04.2018

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